Die Akzeptanz des Offensichtlichen

Geschichten sind gemein. Es ist nicht allein die Tatsache, dass sie sich in ungeahnte Richtungen bewegen und ihren Autor vor unerwartete Herausforderungen stellen. Nein, manchmal sind es auch die offensichtlichen Kleinigkeiten, die sich beim Schreiben ergeben. Ein Satz und da stehen sie – unangenehme Wahrheiten und Entdeckungen. Sie stören die Geschichte, die man im Kopf hat, weil sie alles über den Haufen werfen. Man hat sie nicht bedacht, man hat sie nicht Kommen sehen, aber sie besitzen eine widerwärtige Logik, der man sich schlecht entziehen kann.

Die Versuchung, diese Sätze und ihre Folgen zu ignorieren, ist groß. Sie stören schließlich den Verlauf, den man sich vorgestellt. Aber wenn man das tut, gibt es ein weitaus größeres Problem – die Logiklücke. Und noch schlimmer – der handelnde Charakter übersieht mal so eben Dinge, die auf der Hand liegen, weil sie dem Autor nicht in den Kram passen. Das Ergebnis sieht man immer wieder – wie oft wird in Büchern ein nicht nachvollziehbares Verhalten bemängelt? Die Tatsache, dass Charaktere durch den Roman stolpern und dämlich agieren, weil sie das Offensichtliche völlig ignorieren? Sehr, sehr oft. Es ist ein typisches Resultat, wenn man die Geschichte stur in die Richtung zwingt, in die sie von allein eigentlich nicht gehen kann.

Natürlich kann es passieren, dass man selbst diese Dinge beim Schreiben übersieht. Aber wenn sie auftauchen, muss man leider den Hintern in der Hose haben und sie akzeptieren. Selbst wenn es dann schrecklich ungemütlich wird.

Ich bin gerade eben auf eine solche Stelle gestoßen. Es ist unangenehm, weil es im Moment wirklich an allen Ecken und Enden hakt. Sylveine hat viel zu früh eine Entdeckung gemacht, die eigentlich noch ein paar Kapitelchen in der Zukunft liegen sollte. Das verändert vieles. Ich ringe seit drei Tagen mit dem gleichen Kapitel und trete auf der Stelle, weil ich nicht ermessen kann, wie extrem die Folgen ausfallen. Trotzdem – wenn ich das Offensichtliche jetzt ignoriere und sie dazu zwinge, es nicht zu sehen, wird es unglaubwürdig.

Ich hasse es. Ich würde lieber die Augen davor verschließen und so tun, als ob es diese Entwicklung nicht gäbe. Als ob sie nicht logisch wäre. Aber dann … käme wohl wenig Sinnvolles dabei heraus. Also muss ich irgendwie durch und diese Reise nehmen, wie sie ist. Das Offensichtliche akzeptieren. Einfach ist es nicht.