Lebendige Bilder und ihre Risiken

Wenn ich mir Meinungen zu meinen Büchern ansehe, kommen da oft recht widersprüchliche Dinge raus. Die einen lieben den Detailreichtum. Andere finden genau das gleiche langweilig. Tatsächlich ist dieser Punkt immer der größte Kritikpunkt, aber auch gleichzeitig das, was am stärksten als „gut“ hervorgehoben wird.

Momentan macht mir das wiedermal Probleme, weil man logischerweise nicht weiß, was man daraus machen soll. Es ist allerdings auch etwas, das direkt mit dem Themengebiet zusammenhängt. Fantasy braucht in vielen Dingen etwas mehr Erklärung als ein anderes, weltlicher anmutendes Genre.

Wer jetzt eher Dinge liest, die in unserer Welt angesiedelt sind und sich als Fantasyanteil maximal mit Vampiren / Werwölfen befassen, kann sich durchaus an ausgedehnten Beschreibungen von Örtlichkeiten und Co. stoßen. Denn klar – ein Vampirroman, der beispielsweise in Amerika spielt, braucht deutlich weniger Fleisch. Schreibe ich von einem BMW, weiß der normale Leser eben, was das ist und wie das aussieht. Ein Hochhaus mit einer verspiegelten Fassade kann genau so umschrieben werden. Kann sich jeder vorstellen. Ähnliches gilt auch für eine alte, zugige Burg. Grauer Stein, nackte Wände. Prima.

Bewegt man sich aber in der Feenwelt, sieht das nicht mehr ganz so einfach aus. Wie soll ich einen Ort wie Tar’Luen in der Fantasie des Lesers zum Leben erwecken, wenn ich ihn nicht mit Details beschreibe? Es gibt diesen Ort nicht, niemand kann ihn vor sich sehen, weil er mit keiner existenten Stadt zu vergleichen ist. Ich kann keine Atmosphäre spürbar machen, keine Melancholie vermitteln, wenn ich das mit drei Sätzen abhandle. Und darum geht es in der Fantasy ja nun sehr stark – Atmosphäre, Stimmung. Eine fremdartige Umgebung muss im Kopf des Lesers entstehen können, sonst bleibt es eben bei der alten, zugigen Burg. Da wird’s irgendwo schwierig.

Klar war das bei Lukrezia einfacher – Porto di Fortuna ist ein Klon von Venedig. Gondeln, Kanäle, Brücken, alles da im Kopf. Drei Sätze und es sitzt. Jeder weiß genau, wie das aussieht. Das geht aber in der reinen Fantasy nicht mehr.

Im Grunde weiß ich also, dass es ohne Details nicht klappt. Was ist noch Fantasy, wenn ich dem Leser alles selbst überlasse? Wo bleibt dann diese besondere, fremde Welt? Trotzdem störe ich mich gerade sehr daran, wenn ich mal wieder ausholen muss, um einen Schauplatz lebendig zu machen. Geht es hier nicht auch kürzer? Soll ich was streichen? Wird es zu viel? Das ist schon ein bisschen nervig. Letztlich weiß ich nämlich, dass ich nicht viel daran ändern werde – und natürlich auch, dass genau diese Details am Ende einen großen Teil der Atmosphäre ausmachen. Trotzdem beschäftigt es mich. Es hindert mich und ich knabbere daran.

Recht oft habe ich gelesen, dass Leser beim Lagerfeuer in der Silberlilie (ja, genau, die gefürchtete, böse Silberlilie, die mich tagelang fertiggemacht hat), das Gefühl hatten, dabei zu sitzen. Das ist ja eigentlich auch genau das, was man will. Szenen, die so lebendig sind, dass der Leser sich mittendrin befindet. Und das funktioniert wiederum nur dann, wenn Stimmung erzeugt wird. Es ist also ein blödes Problem oder auch ein hausgemachtes, das gar keines ist.

Ich glaube, zu einem gewissen Grad kennt das wohl jeder, der schreibt. Es ist unmöglich, es jedem recht zu machen. Und der Versuch, jede Kritik zu beherzigen und umzusetzen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Ich selbst kann sie nur zur Kenntnis nehmen, darüber nachdenken und sehen, ob die Kritikpunkte in irgendeiner Weise vermeidbar sind. Allerdings – auch das ist sicher – wird es dann wieder neue geben.

Für mich heißt das also, dass es bei den Details bleibt. Wenn ich nicht das Genre wechseln will und irgendwann bei den Vampiren in Amerika landen möchte (nein, das würde nicht klappen, das können andere besser), dann muss ich wohl weiterhin mit Einzelheiten arbeiten, um die Welt greifbar zu machen. Auch wenn mir das sicherlich auch zukünftig Kritiker eintragen wird. Aber das ist dann wohl ein Risiko, mit dem ich leben muss. Ich muss wohl nur lernen, das endlich auszublenden.